LESEMAX - KONZEPT

Es bedarf keiner internationalen PISA-Studie (Platz 16 im Jahr 2010) um vor Ort in unseren Schulen zu erkennen, dass viele Kinder nur unzureichende Leistungen im Lesen vorweisen können. Dabei stellt neben der Lesetechnik vor allem das Leseverständnis weiterhin ein großes Problem dar.
Seit einigen Jahren fördere ich solche Kinder. Mein Konzept lehnt sich an das Prinzip des reziproken Lernens an, Variationen und Ergänzungen sind aber den Bedingungen in der Schule geschuldet, d.h. den Wissens- und Könnensvoraussetzungen der geförderten Kinder. Der vielfach vorhandene Migrationshintergrund wie die sprachliche Verarmung durch den unkritischen Medienkonsum und die Minimalsprache einer SMS oder Twitter Kommunikation lässt jede Leseförderung zu einer allgemeinen Sprachförderung werden.
Organisatorischer Rahmen
Gesamttrainingsdauer: mindestens 10 Wochen à 2 x 1 Unterrichtsstunde
Gruppengröße: maximal 4 Schülerinnen und SchülerAuswahl der Trainingsteilnehmer/-innen:
Erstkurs am Schuljahresanfang: SLS 5-8 (Salzburger Lese-Screening für die Klassenstufen 5-8, Verlag Hans Huber, Bern) – ein 3 Minuten Schnelltest
Folgekurs zur Schuljahresmitte: SLS 5-8, zusätzlich LehrerempfehlungEvaluation: SLS 5-8 (Vor- und Nachtest mit Parallelformen), FLVT 5-6 (Frankfurter Leseverständnistest für 5. und 6. Klassen, Verlag Hogrefe, Bern) – 45 Minuten Test (Vor- und Nachtest mit Parallelformen)
Inhaltliches Vorgehen
Reziprokes Lehren und Lernen ist eine schülerzentrierte Lern- und Strategietechnik, die vom Modell-Lernen ausgeht.
Das reziproke Lernen in der Reinform basiert beim Textverstehen auf 5 Grundschritten vor und nach dem Lesen eines Textes: der Vorhersage (Deduktion von der Überschrift), dem eigentlichen Lesen, der Klärung unbekannter Begriffe, dem Fragen nach den wichtigsten Aussagen und dem Zusammenfassen des Verstandenen.
(s. Palincsar, A. S. & Brown, A. (1984). Reciprocal Teaching of Comprehension-Fostering and Comprehension Monitoring Activities. Cognition and Instruction, 1(2), 117-175 et al.)
Erfahrungen haben gezeigt, dass jüngere Schülerinnen und Schüler eher kleinschrittig an die Strategie des reziproken Lernens herangeführt werden müssen:
Phase I
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Vorhersagen zum zu erwartenden Textinhalt nach Kenntnis der Textüberschrift oder eines Bildes/einer Grafik
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wechselndes Lesen kurzer Texte/Textabschnitte
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Mitschüler/-in verfolgt mit dem Finger den gerade gelesenen Text und zeigt mit dem Fingerzeig ggf. auf eine fehlerhaft gelesene Textstelle
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u.U. auch gemeinsames lautes Lesen schwieriger Sätze/Textabschnitte mit Mitschüler/-in/Lehrer (Partnerlesen)
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erstes Zusammenfassen des Verstandenen
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Klären unbekannter Begriffe:
> Erraten aus dem Zusammenhang heraus
> Hilfe durch Mitschüler
> Nutzung von Duden, Wörterbüchern und Lexika
> Lehrerinformation
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Unterstreichen der Schlüsselwörter, Nutzen der Kenntnisse aus den Projekttagen zur Methodenkompetenz
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Fragen stellen nach diesen wichtigen Inhalten
> gegenseitige Fragestellungen und Beantwortungen
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zweites Zusammenfassen des Gelesenen mit Bezug auf die Schlüsselwörter
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Treffen von Vorhersagen zum folgenden Inhalt
In dieser Phase gibt der Lehrer zunächst das Modell vor, macht die Lernstrategien bewusst und lässt sie von der Gruppe einüben. Es wird arbeitsgleich vorgegangen.
Phase II (soweit von Phase I verschieden)
- eigenständiges Erlesen
längerer Textabschnitte/Texte – arbeitsgleiches
u. -teiliges Vorgehen
- statt Fragen zu den als wichtig
markierten Begriffen: Erarbeitung eines "Spickzettels"
- danach: Lesen des eigenen Textes und Vorstellen des Erarbeiteten (erwarteter Inhalt, Klärung, Schlüsselwörter, Vorhersage)
- Vortrag vor der Gruppe (ggf. "Spickzettel" zur Unterstützung)
- statt "Spickzettel" Erarbeitung einer kurzen schriftlichen Kernaussage
Phase IV (soweit von Phase III verschieden)
- Einsatz von Hörbüchern/Hörbeispielen (s. Steffen Gailberger, Lesen durch Hören, Beltz, 2011)
- Erstes Hören ohne Text, erste mdl. Zusammenfassung
- Zweites Hören und stilles Mitlesen etc.
- Zweites Hören und ggf. lautes Mitlesen bei entsprechend gewähltem Lesetempo (s. angehängte Text- und Ton-Materialien)
In den Phasen II-IV übernehmen die Schüler das "Expertenverhalten", der Lehrer beobachtet den Arbeitsprozeß der Gruppe, gibt Hilfestellungen und Anregungen, führt schwächere Schüler immer wieder an den Lernstand der Gruppe heran. Sobald und soweit er es kann, hält er sich zurück und beschränkt sich auf koordinierende wie korrigierende Aufgaben.